Heimkehr, Nachtruhe, Erwachen und Schädelweh 

 

Lausitzer ging es nicht gut! Lausitzer ging es wirklich nicht gut, heute Morgen. Er war gestern zu seinem monatlichen Kegeltermin in der Schenke gewesen. Die üblichen Runden waren ordnungsgemäß ausgetrunken worden und außerdem hatte man die beiden Geburtstagsrunden natürlich auch noch „weggezischt“.

Hinterher waren er, Heinzi, Peter (der meistens Pöter gerufen wird) und Klatsche (Uwe) noch bei Tante Else, so wird die Stammkneipe der drei in „Fachkreisen“ genannt, fast abgestürzt. Fast! 

Er, Lausitzer, hatte grad noch den Absprung geschafft und wurde von Heinzis Schwester, die ihn in ihrem blauen Golf I Cabrio  (immer offen, da das Dach kaputt ist!) mitgenommen hatte, vor der Haustür abgesetzt. Die „Gegenleistung“ war dann sicherlich, bei Gelegenheit den völlig betrunkenen Heinzi bei seiner Inge abzuliefern.

Lausitzer sperrte die Haustür, seiner Meinung nach sehr leise, auf. Das nützte allerdings recht wenig, hatte seine Gattin Lenchen (so nannte er sie manchmal) doch das schärfste Gehör, das man sich als Normalsterblicher nur vorstellen konnte.

Das übliche Gekeife „Wo kommst du jetzt erst her?“ und „Warum hast du nicht angerufen?“ und noch ein paar andere unlogische Fragen, ging augenblicklich los, so das Lausitzer nicht die Treppe nach oben nahm, sondern schnurstracks nach unten in seinem geliebten Eisenbahnkeller entschwand. 

Unterwegs traf er noch auf Blücher, seinen Langhaardackel. Der saß schwanzwedelnd auf dem Treppenabsatz und hatte heute sicherlich auch schon eine Schimpfkanonade von Lenchen einstecken müssen. Er nahm ihn schnurstracks unter seine Fittiche und mit ins modelleisenbahnerische Asyl, wohlwissend dass Lenchen den Keller nie betreten würde. 

Deswegen waren sowohl der Wodka, der gute Schwarzgebrannte seines Arbeitskollegen Eugen, als auch die Kiste seines Lieblingsbieres (natürlich Königsklasse) dort vor ihr sicher. Bevor er den ersten Daumenbreit des Wodka zu sich nahm, zog er noch das Feldbett (bei vier Jahren Bundeswehr war schon das Ein oder Andere fast vor seiner Haustür vom Unimog gefallen) unter dem Schattenbahnhof hervor. Aufgebaut war es schnell. Dann wurde es doch noch gemütlich. 

Und jetzt: Das vertraute „Plopp“ der Bügelflasche seines Heimatbieres lies die (warum nicht das?) giftspritzende Lenchen schnell vergessen.

Blücher hatte die Gunst der Minute genutzt und auch schon die Liege geentert, wohl wissend, dass eine Decke, im Schrank mit den Lokomotivmodellen, lagerte und auch schon bald von Lausitzer ausgebreitet werden würde. 

Dieser tat dann auch Selbiges, nur um nach zwei weiteren Daumenbreiten und dem Leeren der vertrauten Halbliterflasche, sich gemütlich auf die soldatische Liegestatt zurückzulegen und den Schlaf des Gerechten ordnungsgemäß durchzuführen. 

Tiefschlaf!

Etwas hatte Lausitzer heute Morgen an, oder sogar in, der Nase gekitzelt, ein heftiger Niesreiz war die Folge. Lechzinger hatte sich abrupt aufgerichtet und war mit seinem noch immer alkoholschweren Kopf gegen die Unterseite der im Bau befindlichen Kleinstadt gedonnert. Sicherlich kam das „oben“ einem Erdbeben der Güteklasse zehn gleich, - in seinem Kopf war es zehn.

 

Blücher war schlagartig im Spielmodus (Wie der Bursche es nur schaffte von Tiefschlaf auf Rumtoben in nullkommanix zu switchen). Allerdings hatte Lausitzer so garkeinen Bock jetzt mit seinem Hund zu spielen. Zog doch gerade jetzt ein säuerliches Gefühl in seiner Kehle nach oben, - und überhaupt: Dieses bittere Brennen hinter seinem Mandeln, - schwerst übel. Es gab zur Bekämpfung dafür nur eine Lösung: Mineralwasser, oder wie Lenchen es nannte: Kriminalwasser.
Es gab noch die Lösung zwei, die mit dem Konterbier (in „Fachkreisen“ auch Kontrabier genannt) gegeben, allerdings in Anbetracht einer schimpfenden Ehefrau, knapp anderthalb Stockwerke über ihm und Blücher, schied diese Variante aus. Lechzinger fand noch eine, ein paar Tage alte Wasserflasche. „Besser als nix“, dachte er und nahm einen kräftigen Schluck.

 

Ein Blick auf seine „Rolex“ (haha Rolex, die hatte er im letzten Türkeiurlaub überteuert in dem Juwelierladen seines „All – Inklusiv – Hotels“ erstanden, - Lenchen wollte unbedingt nach der Goldkette fragen, die ihre Poolbekanntschaft aus Köln – Porz stolz trug und „angeblich“ in eben diesem Laden gekauft hatte.), jedenfalls zeigte der große Zeiger auf die Elf, der Kleine knapp auf die Sechs.
An Schlaf war jetzt sicherlich nicht mehr zu denken. Nun denn, man könnte ja Brötchen aus der kleinen Landbäckerei holen und dabei auch noch ein paar, zu einem hübschen, kleinen Strauß gebundene Schnittblumen aus dem Supermarkt an der Hauptstraße mitbringen. Wie nannte Klatsche das Ziergemüse noch gleich? Ah ja, Drachenfutter!
Okay, und wenn man die Abkürzung durch das Wäldchen hinter seinem Haus nehmen würde, könnte man auch nicht von soooo vielen Mitbürgen gesehen werden, die dann Fragen zu der leicht anschwellenden Beule auf seiner Stirn stellen würden.

Ja und Blücher hatte, so er, Lausitzer, die Hundeleine finden würde, auch noch die Chance seine Häufibäufis kunstvoll im Gelände abzusetzen.
Natürlich
fand er die Hundeleine, einzig das Halsband, an dem endlich die frische (und erste Hundemarke seit drei Jahren) befestigt war, fand er nicht. Aber Blücher gehorchte in der Regel, wenn nicht ein paar gefiederte Freunde seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zogen. (Lausitzerer musste immer wieder an die Begegnung mit den Schwänen auf dem Teich mit der Entengrütze denken und er lächelte dann auch immer)
Federvieh und Blücher, zwei Welten trafen so aufeinander.
 

Und da der langhaarige Vierbeiner so auf die flugfähigen Zweibeiner reagierte (und nur auf Diese), dachte Lausitzer, dass sein Begleiter doch nicht multitaskingfähig war! Jagen und Gehorchen passen halt nicht zusammen. 

Lausitzer klemmte sich noch Blüchers Lieblingsstöckchen (haha, Stöckchen ist für einen Knüppel von gut anderthalb Metern mit einer Stärke von fünf Zentimetern wohl eher untertrieben!), das an der Gartentür lehnte, unter den Arm und schritt schnurstracks auf das Wäldchen zu, in seinem Sog tänzelte Blücher, immer wieder auf das Stöckchen schielend, hinterdrein oder besser noch, nebenher. 

Endlich holte Lausitzer aus und pfefferte das „Stöckchen“ im hohen Bogen in das nächste Gestrüpp. Blücher jagte hinterdrein, um ein paar Augenblicke später den Ast vor Herrchen abzulegen. Dieser musste sich nun bücken, wollte er das Ding noch einmal werfen, und just als er seinen Kopf ungefähr auf Höhe seines Gesäßes, vielleicht auch ein wenig tiefer hatte, schoss wieder diese bittere Brühe in seinen Mund. Mist, kein Kriminalwasser und auch kein Bier, die Bullrichsalztabletten lagen im Spiegelschrank in seinem Haus. Was blieb? Heftigst alles einspeicheln … 

Blücher ahnte ja nicht, wie es Herrchen ging und forderte Lausitzer bellend zu einem weiteren Wurf auf. Und da Herrchen nun eh grade „unten“ war, nahm er den Baum auf, holte Schwung und schon flog der Stamm ein Stück weiter auf der anderen Seite des Weges ins Unterholz.
Blücher machte sich sofort auf, um einem Rückepferd gleich, das nahezu unverrückbare Großgewächs wieder seinem Herrchen zuzuführen. Er zerrte, ließ wieder ab, nur um einen halben Meter weiter an einer anderen Stelle des Gewächses erneut zu zerren. Nichts rührte sich. Was blieb ihm anderes übrig als Lausitzer bellend herbei zu zitieren und ihm klarzumachen, dass der Ast ohne die Hilfe des Herrchens nicht zu bergen war.
Lausitzer kannte seinen Dackel zwischenzeitlich doch schon so gut um sofort am Gebell zu erkennen, dass das Stöckchen irgendwo festhing.

Und er wusste auch, dass Blücher nicht aus dem Gestrüpp kommen würde, wenn er ihm nicht zu Hilfe kam. Er brauchte nur zwei Schritte zu machen, um das Ende des Astes zu erreichen und um dann dran ziehen zu können. Mit seiner rechten Hand, links hatte er die Hundeleine in der Faust, griff er beherzt an das Holzstück und unter anfeuerndem Bellen seines vierbeinigen Gefährten zog er doch recht kräftig, nichts rührte sich. 
Also ging er noch einen kleinen Schritt weiter, legte sich die Leine über die Schulter, und zog dann, schon mit zwei Händen und natürlich größerer Anstrengung heftigst am Ast. Blücher bellte auch schon kräftiger, war allerdings auch nicht zu sehen. Der Baum ließ sich nicht rausziehen, als wenn Jemand am anderen Ende das Ding festhalten würde …
Lausitzer brach jetzt durch das Gebüsch, um zu sehen, wo das Ding festhing. Blücher stand einen Meter weiter und
bellte in einen Haufen Laub.
Lausitzer dachte sofort an ein waidwundes oder verstorbenes Tier im Laub und er bückte sich wieder (saures Aufstoßen!) um Blücher unter seinen Arm zu klemmen und mit ihm das Gebüsch zu verlassen. Dabei verrutschte der Laubhaufen ein wenig und er sah eine Hand.
Und die hielt auch irgendwie Blüchers Stöckchen!
Neugierig wischte er das Laub beiseite, sich am bekleidenden Arm in Richtung Schulter „hocharbeitend“. Zum Schluss rutschte ein größeres Stück des Haufens herunter und er sah die linke Seite eines männlichen Kopfes.
 

Lechzinger erkannte, dienstlich bedingt, sofort, dass dem Manne nicht mehr zu helfen war.
Und er erkannte auch den Toten, es war:
Klöten – Karl.